28. März 2019 // Lars Tunçay
Die Branche verändern

Filmstill aus „Das Melancholische Mädchen“ von Susanne Heinrich, der mit dem Hauptpreis des Max Ophüls Festivals ausgezeichnet wurde.
Gleich drei junge sächsische Filmemacherinnen konnten sich im Laufe eines Jahres auf den wichtigsten deutschen Filmfestivals behaupten. Zuletzt gewann der Film Systemsprenger den Alfred-Bauer-Preis (Regie: Nora Fingscheidt), der seit 1987 im Rahmen der Berlinale verliehen wird und neue künstlerische Perspektiven eröffnet. Produziert wurde der Film von einer Leipzigerin: Frauke Kolbmüller ist im Westen der Stadt aufgewachsen. 2005 zog es sie aus Leipzig weg. „Ich wollte immer in eine andere Stadt, zum Studieren und um neue Dinge zu entdecken. Da war einfach die Neugier sehr groß. Dann bin ich zum Studium der Digitalen Medien nach Bremen gezogen und habe da alles Mögliche ausprobiert. Ich bin aber immer wieder bei den bewegten Bildern hängen geblieben.“
Im Rahmen des Studiums ging sie nach Ungarn zum Filmmaking Workshop und da machte es klick: „Ich wusste, was mich beim Film wirklich interessiert – und das war die Produktion. Regie können andere viel besser als ich, aber denen den Rücken zu stärken und ihnen als Produzentin beizustehen, das habe ich als meine Aufgabe gesehen und realisiert.“ Sie bewarb sich an der Hamburg Media School für einen zweijährigen Masterstudiengang, den sie 2012 als Creative Producer abgeschlossen hat. „Dann habe ich angefangen, mit meinen Kommilitonen Projekte zu entwickeln, und so hat das ganze Netzwerk angefangen, sich zu bilden.“
Sie gründete ihre eigene Produktionsfirma, die Oma Inge Film. „2015 begann ich, mit einer Produzentin in Dänemark Projekte zu entwickeln, und da musste endlich mal diese Firma her. Da kam die Oma Inge ins Spiel. Meine Omas Ingeborg und Elisabeth Ingeborg haben den Namen beigesteuert. Filmemachen ist etwas sehr Familiäres.“ Und die Omas sind in der Familie schließlich die Oberhäupter, sagt Kolbmüller. „Die Oma Inge soll ein Zuhause für alle Filmemacher bieten, die Lust haben, auf die Art und Weise Filme zu machen, wie ich sie mache.“
Nach ihrem Abschlussfilm Strawberry Bubblegum von Regisseur Benjamin Teske realisierte sie ihren ersten Kinofilm, die erfrischende Beziehungskomödie Maybe Baby von Julia Becker, der unter anderem beim Filmfestival Max Ophüls Preis gezeigt wurde. Mit ihrer dritten Produktion Systemsprenger hat sie es nun gleich in den internationalen Wettbewerb der Berlinale geschafft und erntete hervorragende Kritiken. Derzeit entwickelt sie ein internationales Projekt mit einer dänischen Co-Produzentin, das in Dresden spielen wird. Gerne würde sie aber auch Filme in ihrer Heimat realisieren. „Ich hab auch total Lust, wieder nach Leipzig zu kommen, aber Hamburg, Berlin, München sind nun mal die Hauptstädte für Spielfilm in Deutschland. Die Oma Inge wird irgendwann Schritte nach Leipzig machen, ich weiß nur noch nicht wann. Ich bin gerade noch am Anfang und nutze das Netzwerk, das ich mir in Hamburg aufgebaut habe, strecke aber die Fühler nach Leipzig aus.“
Das Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken wurde in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge von Leipziger Regisseurinnen geprägt. Mit ihrem Langfilmdebüt Das melancholische Mädchen gewann Susanne Heinrich den Wettbewerb Spielfilm und erhielt auch den Preis der ökumenischen Jury. Susanne Heinrich stammt aus Oschatz bei Leipzig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und veröffentlichte zwei Romane, bevor sie ein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin begann. Das melancholische Mädchen ist ihr Abschlussfilm. Ein Film, der antritt, das Kino neu zu erfinden. Die Jury lobte, dass es dem Film gelingt, „endlich eine Sprache für eine ganze Generation von traurigen, klugen Mädchen zu finden“.
In den letzten Jahren arbeitete sie minutiös an ihrer ersten Regiearbeit und verarbeitete in ihrem Drehbuch eigene Erfahrungen. „Es steckt viel von mir da drin. Er ist, glaube ich, gleichermaßen ein persönliches Bekenntnis, wie er auch verfilmte Philosophie ist. Und vor allem glaube ich, dass er über ein Unbehagen erzählt, das ganz viele Menschen teilen.“ Der Max Ophüls Preis ist ein wichtiger Baustein für ihre künstlerische Karriere und die 36 000 Euro Preisgeld sichern nicht zuletzt auch den Lebensunterhalt: „Persönlich ist der Preis wichtig, weil er mich gerade aus meiner finanziellen Notlage befreit. Aber natürlich ist er auch für den Film wichtig, weil ich glaube, dass er es vielen weiteren Menschen ermöglichen wird, ihn zu sehen. Das freut mich total, weil ich glaube, dass der Film wichtig ist.“ Der Salzgeber Verleih wird Das melancholische Mädchen in die Kinos bringen. Heinrich arbeitet derweil schon am nächsten Projekt. „Ich recherchiere seit anderthalb Jahren für den nächsten Film. Wenn die Finanzierung klappt, wird es wohl noch etwa zwei Jahre dauern, bevor ich den machen kann.“
Genau ein Jahr zuvor stand die Leipzigerin Lisa Miller auf derselben Bühne. Mit Landrauschen inszenierte sie ihr Spielfilmdebüt und gewann damit ebenfalls den Max Ophüls Preis. „Mit großer Energie und Tiefe, Mut zum Risiko und sehr viel Liebe zu den Figuren führt Landrauschen in eine Welt, in der wir uns erst einmal genauso zurechtfinden müssen wie die Hauptfigur“, heißt es in der Jurybegründung. Die Autorin und Regisseurin setzte mit dem Film ihrem Heimatort Bubenhausen in der schwäbischen Provinz ein filmisches Denkmal. Dafür erhielt sie in Saarbrücken zudem den Drehbuchpreis.
Nach dem Kunst- und Filmstudium in London und Madrid arbeitet Lisa Miller als freischaffende Filmregisseurin und Dozentin. Landrauschen erzählt von einer Endzwanzigerin, die wieder bei den Eltern einzieht – eine autobiografisch inspirierte Geschichte, wie Miller zugibt. „Diese Erfahrung, aus der großen Stadt ins kleine Dorf zu kommen und die Hoffnung, dass alles entspannter wird, das war auch meine Erfahrung. Ich wollte schon immer eine Geschichte auf dem Land erzählen. Ich finde so ein Dorf ganz schön inspirierend. Dort leben viele Menschen auf engem Raum zusammen und man kennt jeden, das ist fast wie eine Kommune.“
Mittlerweile fühlt sie sich aber in Leipzig wohl. „Nach Berlin wollte ich nach dem Studium auf gar keinen Fall. Ich hatte noch Freunde aus Madrid in Leipzig und bin dann hierhergezogen. Es war die richtige Wahl. Mein Domizil ist Connewitz.“ Hier arbeitet sie derzeit an einer Fernsehserie für einen Sender und entwickelt ein Spielfilm-Treatment für eine Geschichte, die in Leipzig spielt.
Trailer – Das melancholische Mädchen
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