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28. September 2020 // Lars Tunçay


AUSLÖSER_extended: Let’s go green

Grüner Drehen

Gruppenfoto beim Panel "Grünes Drehen" im Rahmen des Kurzsuechtig 2020

v.l.n.r.: Alina Cyranek, Danny Böhlendorff, Mike Brandin, Michael Geidel, Korina Gutsche, Jürgen Kleinig, Mirjam Mager.

Wie kann die Filmbranche nachhaltiger und umweltschonender arbeiten? Dieser Frage ging das Panel „Grünes Drehen“ im Rahmen des 17. KURZSUECHTIG Kurzfilmfestivals in Leipzig am 20.08.2020 nach und war erfüllt von konstruktivem Konsens.

 

 

Nachhaltigkeit ist das Motto der Stunde. Als zu Beginn des Jahres Zehntausende in ganz Deutschland auf die Straße gingen, um im Rahmen der „Fridays For Future“-Proteste für einen schonenderen Umgang mit den begrenzten Ressourcen zu werben, löste das auch in der Filmbranche Diskussionen aus. Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie, die das Thema in den folgenden Monaten in den Hintergrund drängte, ist es mehr denn je an der Zeit, über eine effektivere Industrie nachzudenken und den Gedanken Taten folgen zu lassen. Darüber sind sich alle einig – aber wie setzt man den Plan in die Tat um? Um sich darüber auszutauschen, lud das Mitteldeutsche Kurzfilmfestival KURZSUECHTIG gemeinsam mit dem Filmverband Sachsen e. V. im August zu einem Panel rund um „Grünes Drehen“ ein.


 

Flut von Initiativen

 

Die Stimmung im Garten des Leipziger Felsenkellers war gelöst. Bei sommerlichen Temperaturen war ein Geist des Aufbruchs spürbar. Es gehe jetzt darum, an die vielen guten Ansätze aus der Zeit vor Corona anzuknüpfen, sagt Korina Gutsche. Sie arbeitet freiberuflich als „Green Consultant“ und gibt Seminare zum Thema grüne Filmproduktion. Als Dozentin an der Filmuniversität Potsdam-Babelsberg arbeitet sie daran, die Medienregion Berlin-Brandenburg möglichst klimafreundlich aufzustellen. In den vergangenen anderthalb Jahren arbeitete sie am Projekt „Kino natürlich“ im Verband der Arthouse-Kinos, um die Betriebsweise der Lichtspielhäuser klimafreundlicher zu gestalten. Die „Fridays For Future“-Bewegung habe das Bewusstsein verändert, stellt sie fest. „Es gab in diesem Jahr auf der Berlinale so viele Panels wie noch nie. Es poppten überall Initiativen auf, wie ‚Green Film Shooting‘ der Filmförderung Baden Württemberg oder die Selbstverpflichtungserklärung des Produzentenverbands vom Dezember 2019.“ Es ginge jetzt darum, sich auf einen ersten gemeinsam Konsens zu verständigen und anzufangen, zu Handeln.

 

Korina Gutsche auf dem Panel zusammen mit Michael geidel und Jürgen Kleinig. v.l.n.r.: Korina Gutsche (Green Consultant/bluechildfilm.de), Michael Geidel (Green Film Initiative) & Jürgen Kleinig (Neue Celluloid Fabrik)

 

Vorbildfunktion einnehmen

 

Der „Green New Deal“ hat sich das Ziel gesetzt, Europa bis 2050 klimaneutral zu gestalten. „Mit der Klimakonferenz in Paris 2015 haben sich erstmals 193 Staaten auf 17 gemeinsame Punkte geeinigt und Klimaziele definiert, die auch für uns als Filmbranche relevant sind. Da kann man nicht einfach stillsitzen und nichts tun“, findet Michael Geidel, der bereits seit mehr als acht Jahren Lobbyarbeit für „Grünes Drehen“ macht. „Das wäre verantwortungslos. Wenn man sich anschaut, welche Vorbildfunktion Kultur für die gesamte Gesellschaft hat, ist es einfach ein sehr sinnvoller Anteil, den man hier leisten sollte.“ Geidel ist als Produzent tätig und Mitglied der „Green Film Initiative“, die an der HFF in Potsdam zum Thema Umweltschutz forschte. 2012 rückte sie das Thema erstmals auf der Berlinale in den Fokus. Seitdem kümmert sich Geidel hauptsächlich um Lobbyarbeit und darum, auch internationale Produktionen möglichst umweltschonend umzusetzen.

Michael Geidel

 

Ungeahnte Möglichkeiten

 

„Die Filmbranche ist eine Jet-Set-Branche“, gibt Jürgen Kleinig zu. „Man fliegt von einem Festival aufs nächste, verbraucht beim Drehen ohne Ende Resourcen – da wird es höchste Zeit, sich mal mit dem Thema zu befassen.“ Der Leipziger Produzent beschäftigt sich in seinen Filmen viel mit nachhaltigen Themen, etwa Landwirtschaft und Ernährung. Dadurch wurde er auch für die eigene Arbeit sensibilisiert und informierte sich früh über Formen des grünen Drehens, die er seitdem in die Tat umsetzt. Anreize gebe es bisher allerdings kaum, sagt Kleinig. „Es ist nicht die Aufgabe des Produzenten, sich einen ‚Green Consultant‘ zu organisieren. Das müsste eigentlich verpflichtend bei den Sendern vorgesehen werden.“ Korina Gutsche verweist auf die Fördermöglichkeiten für Produzenten: „Es gibt eine verpflichtende Erklärung aller bundesweiten Filmförderinstitutionen von 2017, einen ‚Green Consultant‘ mit bis zu 5.000 Euro zu bezuschussen. Das gilt auch für die MDM. Ich empfehle, einfach nachzufragen. Das haben viele nicht progressiv kommuniziert. Die Eigenverantwortung liegt da bei den Produzenten.“ Es herrsche aber immer noch eine große Unsicherheit, ergänzt Michael Geidel: „Es braucht einen gut ausgebildeten Fachmann, der eine Produktion unter grünen Kriterien begleitet und dafür sorgt, dass man viel spart. Etwa bei der Verwendung von Ökostrom oder beim Setbau: Wenn du ein Set baust und es danach entsorgst, kostet es wesentlich mehr als wenn du es so baust, dass es danach weiterverwendet werden kann.“

 

Jürgen Kleinig auf dem Panel "Grünes Drehen" Jürgen Kleinig (Neue Celluloid Fabrik)

 

Was bedeutet „Grünes Drehen“?

 

Befürchtung vieler sei, so Geidel, dass „Grünes Drehen“ eine komplette Umstellung in den Arbeitsprozessen bedeutet. „Da ist es unsere Aufgabe zu zeigen, dass die grüne Transformation auch Möglichkeiten zum Ausprobieren bietet. Jedes Filmprojekt ist ein neuer Anfang. Unsere Branche hat es da so einfach wie keine andere, diese Veränderungen durchzumachen. Aber gemeinsame Kriterien sind am Ende wichtig.“  Derzeit gebe es auf Bundesebene kein einheitliches Konzept. Deshalb setzt sich jede Produktion eigene Ziele. Studenten der Filmuniversität Babelsberg entwickelten einen eigenen Handlungsleitfaden, mit einem eigenen Gremium, einem Fördertopf und sogar einem speziellen Siegel für Produktionen, die den Richtlinien entsprechend entstehen. Solche Initiativen sind das Highlight ihrer Arbeit, sagt Korina Gutsche. „Wir sollten nicht warten auf das, was dann vielleicht auf Bundesebene kommt. Wir müssen jetzt Handeln. Action bitte jetzt!“

 

Gutsche stellt auch einen Unterschied zwischen den Generationen fest. Gestandene Filmemacher tun sich oft schwer, für junge Filmschaffende ist das Thema ganz selbstverständlich. Trotzdem spürt auch sie eine gewisse Unsicherheit in der Branche. Auch ihr fehlen die Anreize, grün zu drehen. Eine Hemmschwelle sei die damit verbundene Arbeit und Vorbereitungszeit.

 

Corona und Nachhaltigkeit

 

Die vergangenen Monate haben es nicht unbedingt einfacher gemacht, die Standards für „Grünes Drehen“ in der Branche zu verankern. Gerade sind einfach alle froh, wenn es überhaupt irgendwie weitergeht. Die Zusammenarbeit in der Branche funktioniere aber, da ist sich die Runde einig. So konnte das Drehen vielerorts relativ schnell wieder ermöglicht werden. Dabei ist allerdings eine Rückkehr der Einwegprodukte am Set zu beobachten. Dafür gebe es weniger Flugreisen, ein positiver Nebeneffekt der Krise. Korina Gutsche stellt außerdem eine Sensibilisierung für eigenverantwortliches Handeln fest. Viele sind bereit, ihren eigenen Becher und ihre Brotdose ans Set mitzubringen. „Gesund und grün kann nur zusammen gehen.“ Eine solche Art der Anpassung hat Michael Geidel auch am Set der „Matrix“-Fortsetzung in Berlin festgestellt.

 

 

Preis für Nachhaltigkeit

 

Korina Gutsche findet es wichtig, auch jene zu belohnen, die sich auf den Weg gemacht haben. Deshalb sei es erfreulich, dass das Umweltministerium gemeinsam mit der Heinz-Sielmann-Stiftung einen Preis für nachhaltige Filmproduktionen stiften wird. Die erste Verleihung soll auf der Berlinale im nächsten Jahr stattfinden. Bei der Novellierung des Filmfördergesetzes wird Nachhaltigkeit zudem als vorgezogenes Kriterium behandelt. Ein wichtiges Zeichen, finden alle Beteiligten. Das Ziel kann nur eine komplette Umgestaltung der Branche sein. Es gehe aber auch darum, bereits jetzt zu tun, was möglich ist. Das könnte etwa weniger „Fördertourismus“ sein. Auf jeden Fall sei das Ziel aber mehr Kommunikation untereinander – und mehr Panels wie dieses.

 

 

Das ganze Werkstattgespräch noch einnmal zum Nachhören …

 

FILMVERBAND SACHSEN e.V. · Panel Grünes Drehen // Audiomitschnitt

 

Lars Tuncay

Lars Tunçay

ist freier Journalist und Filmredakteur beim Leipziger Stadtmagazin Kreuzer, Nachrichtenredakteur beim MDR und Moderator.

 

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