27. Februar 2020 // Mirjam Mager // Filmverband Sachsen e.V.
Share Your Power – Quote, Gleichstellung, Diversität!

© Pro Quote Film
Die Pro Quote Film Kampagne „Share Your Power“ findet ihren bisherigen Höhepunkt beim Berlinale-Panel und wirft einen intersektionalen Blick auf die Filmbranche.
Die traditionelle Berlinale Veranstaltung von Pro Quote Film in der Akademie der Künste fordert erneut auf, die notwendigen Schritte für eine gerechte Quote zu diskutieren und mit intersektionaler1 Brille einen Blick auf die Branche und die gleichstellungspolitische Arbeit zu werfen. Speakerinnen wie die Filmemacherin Branwen Okpako oder Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, referieren unter dem Motto „You can’t be what you can’t see“ – ein Zitat der Menschenrechtlerin Marian Wright Edelmann.
Immer noch arbeiten deutlich mehr Männer als Frauen in Führungspositionen in Film, Medien, Kultur: „Weibliche Führungskulturen, echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die auch die Bedürfnisse der Kinder im Blick hat, sind bisher Leerstellen. Mehr Frauen vor und hinter der Kamera werden wir nur durch Quoten erreichen. Sie öffnet den Blick auf den ganzen Pool an Talenten und sie rückt den derzeit verzerrten Wettbewerb gerade“, so Barbara Rohm, Vorständin von Pro Quote Film.
Bereits Ende Januar ist Pro Quote Film mit einem Quotenkongress ins neue Jahr gestartet, an dem auch der Filmverband Sachsen teilnahm. Beeindruckend war die geballte Ladung an hochrangiger und kompetenter Frauenpower, die sich auf der Bühne die „Klinke“ in die Hand gaben. Leidenschaft und Enthusiasmus in diesem Ausmaß ist selten auf einer so förmlichen Veranstaltung zu sehen. Unterstützt wurde der Kongress von anderen Fraueninitiativen wie FidAR, „Frauen in die Aufsichtsräte“, Pro Quote Medien, Pro Quote Bühne. Auch viele Politikerinnen setzen sich für die Quote ein. Das Familien- und Frauenministerium, bringt gerade ein Gesetz auf den Weg, welches Unternehmen zu mehr Frauen im Vorstand bewegen soll. Auch im Bereich der Filmförderung, die gerade novelliert wird, sollen Frauen stärker unterstützt werden. Unter den anwesenden Gästen fand sich leider nur ein Mann.
Bereits während des 11. Filmsommer Sachsen 2018 ging es einen Nachmittag lang um Gendergerechtigkeit. Zum Thema „Fach:Kraft:Frau – Frauen in der Sächsischen Filmlandschaft“ hielt Barbara Rohm ein Impulsreferat gefolgt von dem Panel „Gendergerechtigkeit in der Filmbranche – Wo liegen die Ursachen?“ und der traditionellen Fish-Bowl-Diskussion zu „Diversität in Film und Fernsehen“. Dass die Thematisierung dieser Missstände zeitlich unterrepräsentiert ist, beweist auch, dass selbst während des Kongresses, der zeitliche Rahmen kaum ausreichte, um alle Anliegen, Erfahrungen und leider auch Fakten auszutauschen.
Dass die Benachteiligung von Frauen in Film und Fernsehen kein Bauchgefühl ist, sondern auf Fakten beruht, hat die Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Elisabeth Prommer von der Universität Rostock in mehreren Studien nachgewiesen. Sie sagt: „Zählen zählt! Wir brauchen Fakten statt dem gesunden Männerverstand“.
Die Öffentlich-Rechtlichen hatten sich angesichts der Zahlen eigentlich dazu verpflichtet, diesen Zustand aktiv zu ändern. Vorständin Barbara Rohm kritisiert: „ARD und ZDF haben seit Jahren ein öffentliches Gender-Monitoring versprochen, sie sind es aber bis heute schuldig geblieben. Es gibt wohl im TV-Bereich eine kleine Steigerung beim Anteil der Regisseurinnen, aber wir wissen nicht, wie das in den anderen Bereichen aussieht. Wir sehen durch die Initiative „Tatort: Drehbuch“, wie schwierig die Situation in diesen Prestige-Formaten ist.“ Nur sechs Prozent der Drehbuchaufträge für den „Tatort“ und „Polizeiruf“ gingen 2018 an Frauen. „Da verändert sich einfach nichts,“ unterstreicht Rohm.
Pro Quote Film hat sich seit seiner Gründung in nur drei Jahren zu einer wichtigen Stimme in der Filmbranche entwickelt. Der Verein versteht sich unter anderem als Plattform zum Netzwerken und Weiterbilden. Auch während des Quotenkongresses wurde den Gästen die Teilnahme an Workshops angeboten (z.B. „NGO goes Politik“ oder „Quote Argumentieren“), die den fachlichen und politischen Wissensschatz um eine diverse, gerechte Medienlandschaft erweiterten. Die eine oder andere Teilnehmerin war überrascht, wie viel Gegenwind „aus den eigenen Reihen“ einem noch entgegenweht, wenn es um die Einführung einer Quote geht. Vor allem in den Workshops bündelten sich Wissen und Erfahrung, der aus allen Landesteilen stammenden Partizipierenden. Daraus resultierte ein Knüpfen neuer Bande und eine ganze Reihe an unwiderlegbaren Argumenten für die Quote. „Bildet Banden!“ war die Aufforderung an alle, die Moderatorin Deborah Ruggieri immer wieder durch die Menge schickte.
Der „next step“ bei PQF ist die neu gegründete Pro Quote Filmakademie: ein Portal für angewandte Genderforschung und Weiterbildung und ein Angebot für alle Gewerke, den gesamten Prozess des Filmemachens unter Gender- und Diversitätsaspekten weiter zu entwickeln. Geplant sind filmspezifische Seminare, Workshops und Masterclasses, die sich mit neuen transmedialen Erzählformen, Stereotypen und Rollenklischees vor und hinter der Kamera beschäftigen. Genderpolitische Expertise und filmische Praxis sollen hier zusammengebracht werden für alle, die sich mehr Genderkompetenz aneignen wollen.
Auch der Filmverband Sachsen wird weiter in Quoten- und Genderfragen aktiv bleiben. Am 17. Mai 2020 wird 11 Uhr ein Panel mit dem Titel Out of Klischee: Die Queere Revolution in der deutschen Filmlandschaft im Wintergarten der Passage Kinos in Leipzig stattfinden. Die Veranstaltung wird gemeinsam mit der Queer Media Society organisiert und soll aufzeigen, warum queere Sichtbarkeit in der deutschen Filmlandschaft wichtig und notwendig ist, wie sich dies durchsetzen lässt und welche Hürden es hierbei zu überwinden gilt. Darüber diskutieren Filmschaffende aus den Bereichen Produktion, Redaktion, Buch und Schauspiel.
Wir freuen uns auf viele Gäste!
Links:
Die Q-Frage: Quote vs. Qualität oder Qualität durch Quote? – Argumente pro Quote (PDF, 870KB)
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1Der Begriff Intersektionalität bezeichnet die Mehrfachdiskriminierung einer Person aufgrund sich überlappender Faktoren wie etwa Geschlecht, sexuelle Orientierung, Alter, ethnische Herkunft, Behinderung etc.
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