In den Gewerken rund um Filmproduktion in Sachsen fehlen momentan die Fachkräfte. Wir fassen mal zusammen, an welchen Stellschrauben es zu drehen gilt.
Text: Marlene Wetzel, Foto: Jonas Erler
„Ich sehe hier ganz viele Möglichkeiten für Filmschaffende, sie müssen nur vernetzt werden“, sagt Jonas Erler. Der Zweiundzwanzigjährige studiert Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Von Mediengestaltung über Fotografie und Screen Writing bis zur Bewegtbildproduktion können die Studierenden genau das vertiefen, was sie interessiert. Und vor allem anwenden.
Für Jonas Erler kam da nur eins infrage: Bewegtbild. Denn ihm war schon früher klar, dass er Regisseur werden will. Jetzt ist er hellauf begeistert davon, wie viel er an seiner Hochschule und in der sächsischen Filmszene als Nachwuchsregisseur lernen kann.
Für sein neues Projekt arbeitet er mit Schauspielstudierenden der HMT, der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, mit einem Kostüm- und Bühnenbildstudierenden und mit einer Maskenbildnerin von der HfBK Dresden zusammen. „Ich sehe hier überall kleine Pflänzchen, die vielleicht mal große Bäume werden können, und nutze die Spielfläche, die es in Sachsen gibt“, schwärmt er.
Was im Bereich Film passiert, wird allerdings nicht immer nach außen kommuniziert. Besonders dann nicht, wenn Film kein Schwerpunkt der Uni ist. So wie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden: „An der HfBK gibt es weitaus mehr Studierende, die sich mit Film auseinandersetzen, als man annehmen würde“, erzählt Anna Schinzel vom Careerservice der HfBK. „Wir haben eine richtige Filmtradition – vor allem von Animationsfilmen – ohne dass man Film direkt bei uns studieren kann“, so Anna Schinzel weiter. Diese Tradition habe mit der Professur von Filmemacher Lutz Dammbeck begonnen und sich durch seinen Nachfolger Carsten Nicolai fortgesetzt, der Kunst mit dem Schwerpunkt auf digitalen und zeitbasierten Medien lehrt.
Natürlich hat auch der Filmverband das Thema auf dem Schirm. Er bietet Vernetzungsveranstaltungen, Stammtische, Workshops oder spartenübergreifende Kooperationen an und hat sich vorgenommen, Newcomer noch gezielter auf die Angebote hinzuweisen. So könnte es langfristig gelingen, dass junge Filmschaffende schlicht mehr Filme umsetzen und der sächsische Nachwuchsfilm an Strahlkraft gewinnt.
Neben besserer Vernetzung und höherer Sichtbarkeit gibt es aber noch einen weiteren Aspekt, der wichtig für den sächsischen Nachwuchsfilm ist: das Lernen von professionellen und namhaften Filmschaffenden. „An Filmhochschulen lernt man von den Besten. Das hab ich, wenn ich alles DIY mache, nicht“, bringt es Jonas Erler auf den Punkt. Deshalb wünscht er sich, dass regionale Filmproduktionen und -schaffende aktiv in die Nachwuchsförderung einsteigen: auf Studierende zukommen und gemeinsam mit ihnen Projekte realisieren. Zwar versucht das Qualifizierungsprogramm TP2 Talentpool, diese Lücke zu schließen, doch hier zeigt sich seiner Einschätzung nach die gleiche Situation wie an den Filmhochschulen: „Man braucht eigentlich schon ziemlich viel Erfahrung und einen langen Atem, um dort überhaupt genommen zu werden.“
Ob das auch für die Förderprogramme der MDM gilt? Für die ersten Filme eine Förderung zu bekommen, sei eigentlich weniger das Problem, eher für die Zweit- und Drittwerke, schätzt Markus Görsch, Leiter des Förderbereichs Produktion und Internationale Koproduktionen und Landesbeauftragter für Sachsen bei der MDM, die Situation ein. Auch für Kurzfilme, Stoffentwicklung und Webserien habe der sächsische Nachwuchs wirklich gute Förderchancen. Ihn wundere, dass gerade Webserien so wenig angenommen würden. Besonders, weil die MDM sich mehr für Serien öffnen wolle; genauso wie internationalen Vernetzungen und Kooperationen. “Wer hier herkommt, wer hier ist und alles Geforderte vorweisen kann, hat auch die Möglichkeiten, entsprechend gefördert und vernetzt zu werden”, verspricht er.
Und auch, wer sich in Sachsen im Bereich Film weiterbilden will, findet hier zahlreiche Möglichkeiten: beim Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft Sachsen e.V., den verschiedenen Branchenverbänden der Städte Leipzig, Chemnitz und Dresden oder den Programmen “filmachse” und “film.land.sachsen”, das der Filmverband 2019 in Kooperation mit den sächsischen Filmfestivals und -initiativen sowie mit finanzieller Unterstützung des Sächsischen Staatministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus ins Leben gerufen hat. Zudem hat die MDM im Juni 2021 eine neue lokale Fachkräfte-Inititative gestartet, die sich dezidiert nicht an das “an den Filmhochschulen ausgebildete künstlerische Spitzenpersonal” richtet (so formuliert es die MDM in ihrem Info-Flyer, s.u.), sondern an die kreativ-technischen Gewerke, die Branchendienstleister (explizit genannt werden “Rental Licht, Rental Kamera, Postproduktion Bild, Postproduktion Ton, VFX, Animation und Neue Medien”). “Regionaler Nachwuchs, Kreative und Fachkräfte sollen stärker in geförderte Projekte eingebunden werden und Qualifizierungs- und Aufstiegschancen erhalten”, verspricht die MDM. Allein für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen stehen so ab 2021 jährlich zusätzlich 30.000 EUR zur Verfügung; und die MDM-Webseite soll ein Relaunch erhalten und zukünftig neben besseren Vernetzungsangeboten und Mentoring-Programmen einen umfangreichen Production Guide mit zahlreichen Funktionen beinhalten.
Beide – Markus Görsch und Jonas Erler – setzen große Hoffnung in die neu gegründete Filmakademie Görlitz, die an die Hochschule Zittau/Görlitz angedockt ist. Sie wurde u.a. mit Förderung der MDM gegründet, um technisch-kreative Gewerke sowohl theoretisch als auch praktisch aus- und weiterzubilden: Assistierende für Produktion, Ausstattung, Kamera, Ton und Licht. Denn an jungen Fachkräften im Bereich Film fehlt es in Sachsen wie in ganz Deutschland tatsächlich. Ein Mangel, den Markus Görsch vor allem auf zwei Dinge zurückführt: erstens auf die vielen Serienproduktionen, die eine Menge an Man- und Womanpower für einen langen Zeitraum binden; zweitens auf die Einführung des Mindestlohns. Früher wäre man über Praktika in diese Jobs hineingewachsen. Doch das könne sich heute keiner mehr leisten, zumindest die kleinen Produktionen nicht mehr.
Ein Problem, unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten: In Hessen beispielsweise versuche man den finanziellen Mehraufwand, der durch den Mindestlohn entsteht, mit Zusatzförderungen für beschäftigte Nachwuchskräfte auszugleichen. In Sachsen würden zum einen die Filmfestivals mehr Geld bekommen, zum anderen versuche man die fehlenden Praktika durch die Filmakademie Görlitz zu ersetzen, erklärt Görsch weiter. Durch die Angliederung an die Hochschule Zittau/Görlitz wird der praktische Teil der Ausbildungen der Filmakademie zum Pflichtpraktikum und muss deshalb nicht mit dem Mindestlohn vergütet werden.
Ralf Glaser von der Filmwerkstatt Chemnitz ist überzeugt, der fehlende Nachwuchs in den Gewerken liege daran, dass es im Bereich Film in Sachsen einfach keine Jobs gibt. Die könnte es aber geben, wenn in Sachsen genügend Fachkräfte für nationale oder sogar internationale Filmproduktionen zur Verfügung stünden. Momentan bringen die ihre Teams oft einfach mit. An dieser Stelle füllt die Filmakademie also eine echte Lücke. Sie kann außerdem dazu beitragen, „Görliwood” bekannter zu machen, wenn Produktionen einfacher abzuwickeln sind und dort noch mehr gedreht wird. Das nützt schließlich auch dem sächsischen Film.
Es gibt also verschiedene Stellschrauben, an denen bereits gedreht und noch ein kleines bisschen mehr geschraubt werden könnte, um den Nachwuchs in Sachsen zu fördern. Vor allem muss man zeigen, dass man in Sachsen „ganz, ganz viel machen kann“, um es in den Worten von Jonas Erler zu sagen. ☐
Zum Info-Flyer „Fachkräfte-Initiative 2021“ der MDM
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Folgende Hochschulen bieten Studiengänge rund um Bewegtbildproduktionen an:
FH Dresden, Studiengang Mediendesign und Medieninformatik
Macromedia Leipzig
HGB Leipzig, Klasse Fotografie und Bewegtbild
HGB Leipzig, Medienkunst, Klasse: Expanded Cinéma
HTWK Leipzig, Fernsehproduktion
Hochschule Mittweida, Medienmanagement, Media and Acoustical Engineering
Uni Leipzig, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaften, Crossmedia Journalismus
Weitere Förderprogramme der MDM:
Nachwuchstag KONTAKT (16. Juli 2021)
Förderprogramm Fifty-Fifty (zusammen mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
MDM-Pilotprogramm
Gründerinitative MEDIAstart
Weitere Weiterbildungsmöglichkeiten findet ihr hier.